Am Neujahrsapéro der Gewerblichen Industrie Liechtenstein (GIL) referierte gestern die Abenteurerin Evelyne Binsack über Grenzerfahrungen. Im authentischen Vortrag erzählte Binsack von ihren Expeditionen und inspirierte so einen Saal voller Unternehmer.
von Stephan Agnolazza, Vaterland, 24.01.2017
Diplom-Bergführerin, Helikopterpilotin, Extrembergsteigerin, Bestsellerautorin, Dokumentarfilmerin und Abenteurerin. So viele Berufsbezeichnungen wie Evelyne Binsack hat wohl keiner der zahlreichen Unternehmer, welche gestern am Neujahrsapéro der GIL teilnahmen, auf der Visitenkarte. Im prall gefüllten Foyer des Vaduzer Saals trafen sich Unternehmer und Vertreter der Politik zum Austausch, Netzwerken und natürlich dem Hauptprogrammpunkt, dem Referat von Binsack. Die gelernte Sportartikel-Verkäuferin hat eine eindrückliche Biografie: Sie war die erste Schweizerin auf dem Mount Everest, absolvierte als eine der ersten Frauen die Ausbildung zur diplomierten Berführerin und hat bereits die höchsten Gipfel des Himalayas und der Anden erklommen.
Aus dem Hamsterrad ausbrechen
«Wir sollten nicht das Beste erwarten, sondern das Beste aus den Umständen machen», meinte Binsack gleich zu Beginn. Es sollte die Quintessenz des Abends werden. Sie erklärte anhand verschiedener Expeditionen ihre Erfahrungen in Grenzsituationen auf ehrliche und authentische Weise. Nicht beschönigend, nicht ausschmückend. Von Toten am Mount Everest, von der Angst vor dem Erfrieren, von totaler Erschöpfung. Aber gleichzeitig von der Schönheit der Natur, von der Überwindung, vom Wille, das Ziel zu erreichen. «Studien gehen da- von aus, dass 80 bis 94 Prozent der Menschen nicht das machen, was sie eigentlich wollen», so Binsack. Man finde nach der Ausbildung einen Job, arbeite und befinde sich plötzlich in einem Hamsterrad. Das könne sich zwar schneller drehen, am Ende sind es aber doch nur Wiederholungen. «Deshalb brauchen wir Grenzerfahrungen. Dadurch machen wir neue Erfahrungen und halten unser Hirn am Laufen», so Bisnack. Niemand liebe Grenzerfahrungen. Denoch seien sie wichtig, weil sie einen Perspektivenwechsel ermöglichen und damit auch das Leben verändern können. Die Frau weiss, wovon sie spricht. So hat sie unter anderem eine Expedition an den Südpol unternommen. Von der Schweiz aus. Zuerst 25 000 Kilometer mit dem Velo (inklusive 40 Kilo Gepäck) durch Europa, dann von Nordamerika runter durch Zentral- nach Südamerika. Dann begann erst die Antarktis-Expedition: 1200 Kilometer bei 40 Grad, zu Fuss mit Skiern und Schlitten zum Südpol. Insgesamt 484 Tage war Binsack unterwegs. Und kam dabei mehr als einmal an ihre Grenzen.
Inspiration für einen Saal voller Unternehmer
Eindrücklich erzählte sie von ihren Rückschlägen. Wie sie in Mexiko kurz davor gewesen ist, die Reise abzublasen, weil sie sich nicht mehr sicher fühlte («DieUnsicherheit ist ein ständiger Begleiter»). Oder wie sie 180 km vor dem Südpol zusammenbrach und dachte, ihre Zeit sei gekommen. Sie sei komplett erschöpft gewesen. «Der Wille war zwar da, doch mit Schwindelanfällen reagierte mein Körper auf die Strapazen.» Auf der Expedition in der Antarktis verliere man zwischen 8 und 12 Kilogramm Körpergewicht, sie habe schlichtweg keine Energie mehr gehabt. Sie seien zu fünft unterwegs zum Südpol gewesen. Einer habe die Notrationen bereits gegessen, ein anderer hat ihr das Schokoladenpulver geklaut. Trotz der schlechten Voraussetzungen schafften es die fünf zum Ziel, weil jeder für den anderen einstand. «Schaff dir kein Team, schaff dir Verbündete», lautete dann auch die Empfehlung von Binsack an die Unternehmer. Natürlich gebe es Unstimmigkeiten und Streit, doch im entscheidenden Moment komme alles zurück. Am Ende blieben nicht nur beeindruckte, sondern auch inspierte Unternehmer zurück. Die «Experiences at the limit of the impossible», wie der Vortrag hiess, könnte auch für manches Unternehmen noch zur Realität werden.
Referentin Evelyn Binsack und GIL-Präsident Magnus Tuor freuten sich über einen gelungenen Abend.